Dr. Revelation Enriquez Velunta ist Pastor der United Church of Christ auf den Philippinen und Professor für Neues Testament und Kulturwissenschaften am Union Theological Seminary, Philippines und dem Philippine Baptist Theological Seminary.
Ein Blick auf Dr. Veluntas Vita macht deutlich, wie viele internationale Erfahrungen er in verschiedenen Kontexten ansammelte. Er unterrichtete an vielen Institutionen, wie der Council for World Mission School on Intersectional Ecotheology and Ecojustice Witness (SIEEW) in Südafrika 2024 und in Sambia 2023, am Global Institute of Theology der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, welches am Pacific Theological College (Fidschi, 2023) stattfand, am Lutheran Theological Seminary (Hongkong, 2019), am Yu-Shan Theological College and Seminary (Taiwan, 2018), an der Teologiska Hogskolan Stockholm (Schweden, 2006 und 2011) und an der Vanderbilt University (USA, 1999-2002). Auch unterrichtete Velunta an der Philippine Women’s University, der Philippine Christian University (Campus Manila und Dasmarinas) und dem Southern Christian College. Er war Gastprofessor an der Pacific School of Religion in Berkeley, Kalifornien, und am Nostra Aetate Lecturer an der St. Edward’s University in Austin, Texas.
Sein Studium absolvierte er am Union Theological Seminary, an der Vanderbilt University und am Princeton Theological Seminary mit einer Promotion und ist Teil des International Scholars Program der Society of Biblical Literature. Neben seinem umfangreichen akademischen Engagment war er auch Verwaltungspfarrer der UCCP Disciples in Cainta und Studentenkaplan im NCCP-Ökumenischen Dienst.
Veluntas Theologie bezieht sich auf die Hermeneutik und die verschiedenen Wege, die Bibel zu lesen, zu verstehen und zu predigen. So gibt es nicht nur eine Auslegung, sondern er bestärkt, dass Hermeneutik immer im Plural gedacht werden muss; so wird aus Theologie Theologien und aus Christentum Christentümer. Der Imperialismus nämlich lasse diesen Fakt außer Acht und zwinge der pluralen Welt seine eigene einzige Wahrheit auf, wobei die Bibel und auch ihre Interpretation als wirksamer Text des Imperialismus beschrieben werden. Velunta verweist dabei auf Kowk Pui-Lans Abbildung der Welt, in welcher weniger als 1 % der 16,67 % der Menschen, welche Weiße Männer abbilden, über 90 % dessen schreibt, was die Welt liest, und betitelt dies als imperiale Software.
Auch wenn die Bibel das weltweit meistverkaufte Buch ist, gibt es viele Menschen, die diese nicht komplett gelesen haben, wobei Velunta auch schon die Frage aufwirft, was genau denn als „die Bibel” verstanden werden kann, wenn verschiedene Traditionen und Kulturen unterschiedliche Verständnisse bezüglich der Bibel, wie verschiedene Kanones, haben. Und doch wird die Bibel seit fast 1700 Jahren in der Argumentation von Imperien genutzt, Völkermorde, Ausrottung und Ausbeutung zu rechtfertigen und diese als Teil der Erfüllung von Gottes großem Plan anzusehen. Velunta spricht sich somit bewusst für eine Entmilitarisierung (De-Weaponizing) der Bibel aus. Denn gerade Aussagen wie „die Bibel sagt” sind monotheistisch, monologisch und monolithisch, obwohl die Bibel in ihrer Eigenschaft polytheistisch, dialogisch und vielfältig ist. Velunta beschreibt die Bibel als ein Schaufenster verschiedener Inhalte, als eine literarische Sammlung, die unterschiedliche Kontexte widerspiegele und eine Anthologie widerstreitender Stimmen abbilde.
Auf den philippinischen Kontext konkret angewandt werden kann die De-Weaponizing Theology am Beispiel des Jeepneys: Indem Filipinos sich mit ihrer Geschichte konfrontierten, formten diese das 1940 vom US-Militär mitgebrachte Fahrzeug mit drei Sitzplätzen und einer Halterung für ein 30-Kaliber-Maschinengewehr, dem Jeep, zu Minibussen um, die heute als Jeepney bekannt sind. In dieser Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte wandelten sie historische Überreste der Zerstörung und Kolonisation in Werkzeuge um, die der Gesellschaft zugutekommen. Ganz im Sinne von Schwertern zu Pflugscharen machen wurden die Militärjeeps zu Jeepneys umgewandelt, welche sicheren Raum bieten für mehr als 20 oder sogar mehr Menschen und Tiere. Überbleibsel der Zerstörung wurden somit zu Safer Spaces der Gesellschaft. So finden sich auch Gewehre als Gitarren wieder, Tränengasbehälter als Blumentöpfe oder Waffen als Kirchenglocken. Der US-Militärjeep war und ist immer noch ein imperialistischer Text – ein philippinisches Jeepney widersetzt sich diesem und fordert diesen Text heraus.
Diese Hermeneutik, die sich in dem Beispiel und dem Verständnis der Jeepneys findet, nennt Velunta Jeepney-Hermeneutik. Dabei setzt er voraus, dass die Bibel wie ein US-Militärjeep, ein Schwert, ein imperialistischer Text und gefährlicher Text ist, mit dem viel Leid und Ungerechtigkeit im Laufe der Geschichte in der Welt und in dem Kontext auf den Philippinen begründet worden ist. Dazu gehört die mit der Bibel begründete Darstellung von marginalisierten Gruppen als „anders”.
Die Jeepney-Hermeneutik entmilitarisiert und befreit von Gewalt und Ungerechtigkeiten. Es bedeutet, sich mit der Geschichte und den Gegebenheiten auseinanderzusetzen und das damit verbundene Erkennen einer Möglichkeit der Transformation u.a von Massenvernichtungswaffen, um Grenzen und Mauern zu überwinden: Aus einem in grünen Militärfarben begrenzten Dreisitzer-Jeep wird ein buntes, vielfältiges Jeepney. Alle Militärfahrzeuge sahen gleich aus, doch kein Jeepney gleicht dem anderen auf den Philippinen.
Der philippinische Kontext gilt als ein Beispiel, das sich der Transformation, Umwandlung und der De-Militarisierung widmet. Wenn dies möglich ist, ist es auch möglich, die Bibel zu demilitarisieren. In dieser Reflexion bestärkt Velunta die Leseweise einer Bibel für Arme, Unterdrückte und Marginalisierte, denn Bibel wird in zu vielen Kontexten als Waffe gegen diese genutzt. So dienen vereinzelte Verse der Bibel kolonialen Strukturen, die sich gegen die pluralistische Welt wenden und Diskriminierung fördern, wobei 3.500 Verse der Bibel das Thema Gerechtigkeit behandeln. Somit ermutigt Velunta zum Perspektivwechsel aus einer Sicht der Marginalisierten wie den „Ungläubigen”, „Arbeitenden” und „Faulen” in Jesu Parabeln, die oftmals einfach mit negativen Eigenschaften verbunden werden. Wichtig sei zu verstehen, dass Jesus nicht nur die Parabeln erzählt hat, sondern diese heute noch stattfinden und aktueller denn je sind.
Die Informationen stammen aus dem Unterricht mit Dr. Revelation E. Velunta als Teil des Bibel-Hermenuik-Moduls des Union Theological Seminary, Philippinen, im Training in Mission Programme 2024 vom Council for World Mission, East Asia Training in Peace Building and Conflict Transformation for Youth September 11-15 in Manila, organaisiert vom National Council of Churches in the Philippines und Council for World Mission, dem Training in Mission Newsletter: Mission Chronicles, Issue 4 (2024), und Dr. Revelation E. Veluntas: Reading the Parables of Jesus inside a Jeepney, 2007, Dr. Revelation Velunta: How Many Squares Do You See?, und der Union Theological Seminary Website.
Revelation, Velunta: Beating Swords into Plowshares: Jeepney Hermeneutics
Velunta, Revelation: The little bitch who taught Jesus a lesson: Reading the Gospels inside a Jeepney (Beating Swords into Plowshares: Jeepney Hermeneutics), 2025.
Velunta, Revelation: Reading Revelation inside a Jeepney (Beating Swords into Plowshares: Jeepney Hermeneutics), 2025.
Velunta, Revelation: Reading the Parables of Jesus inside a Jeepney, 2017.
Velunta, Revelation: in memory of ONESIMUS: Reading Philemon inside a Jeepney (Beating Swords into Plowshares: Jeepney Hermeneutics)
Velunta, Revelation: The Ho Pais Mou of Matthew 8:5-13: Contesting the the interpretaions in the Name of the Present-Day Paides, in: Bulletin for Contextual Theology, School of Theology, Univerity of Natal 7.2 (2000), 25-32.
Velunta, Revelation: How Many Squares Do You See?, (Serie mit 7 Büchern)
Velunta, Revelation/ Tapia-Raquel, Lizette: Babaylan: Feminist Articulations and Expressions: volume one, 2007 (The Union Seminary Bulletin 1)
Velunta, Revelation: God’s Fart, Our Farts: Laughter Remains the Best Medicine and other essays, 2014 (Union Seminary Bulletin 5)
Velunta, Revelation/ Stubbs, Monya A./ Ukpong, Justin: The Gospel of Matthew: A Contextual Introduction for Group Study, 2003.
Velunta, Revelation: Cornelius the Centurion meets the Ethiopian Eunuch, in a Jeepney, in: Havea, Jione (Hg.): Scripture and Resistance, Lexington Books / Fortress Academic 2019 (Theology in the Age of Empire), Kapitel 6.
Porträt: Freundliche Genehmigung von Dr. Revelation Enriquez Velunta
Foto eines Jeepney: aufgenommen von einer Teilnehmerin des Training in Mission Programme 2024 Vanchhuangpuii in Baguio, Philippinen (wir danken für die freundliche Genehmigung).
Ein Beitrag von Luisa Kappes