Heteronormativität


Der Begriff Heteronormativität trägt einen kritischen Impuls. So weist er darauf hin, dass in vielen gesellschaftlichen Zusammenhängen Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität als Norm vorausgesetzt und privilegiert werden. Auch in der Geschichte werde Heterosexualität als zeitlos und unveränderbar wahrgenommen. In der Queer-Theory ist Heteronormativität ein zentraler Begriff, der all dies infragestellt.

„Das bedeutet, dass nicht nur die auf Alltagswissen bezogene Annahme, es gäbe zwei gegensätzliche Geschlechter und diese seien sexuell aufeinander bezogen, kritisiert wird, sondern auch die mit Zweigeschlechtlichkeit und (ehevertraglich geregelter) Heterosexualität einhergehenden Privilegierungen und Marginalisierungen. Der Begriff Heteronormativität dient zur Analyse und Kritik der Verflechtung von Heterosexualität und Geschlechternormen, mit denen Macht-, Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse einhergehen.“ (Bettina Kleiner)

Diese Analyse fordert auch die Theologie heraus, sich Heteronormativitätskritik zu eigen zu machen und sich auf die daraus erwachsenden Unsicherheiten der Geschlechter- und Sexualitätskonstruktionen einzulassen. Denn Ungleichheits- und Herrschaftsstrukturen, die auf heteronormativem Denken beruhen, prägen auch Glaubensinhalte, theologische Vorstellungen und kirchliches Handeln.

Queere Theologien verstehen sich als ein Weg, die Diversität der gesellschaftlichen Wirklichkeiten zu erfassen und theologisches Denken aus einem heteronormativen Ordnungsdenken zu befreien. Marcella Althaus Reid definiert Queer-Theologie deshalb als Befreiungstheologie, die auf einer kritischen Reflexion der vielfältigen Identitätskonstruktionen basiert: „Sie ist eine kritische Theologie, die das Element zur Sprache bringt, das alle Diskurse und öffentlichen Schlachten der Kirche beherrscht: die Sexualität. Sie sollte keine Theologie der ‚sexuellen Inklusivität‘, sondern der Unterschiedlichkeit sein. Sie ist ein Aufruf zur Entwicklung einer queeren, christuszentrierten Theologie des Nachdenkens und Handelns, ein Aufruf zu einem sozial engagierten und verwandelten Jüngersein inmitten jener mächtigen ideologischen Aussagen, die sich in Rasse, Geschlecht, Sexualität und Klasse ausdrücken und frühere christliche Theologien durchdrungen haben.“

Literatur

Bettina Kleiner https://www.gender-glossar.de/post/heteronormativitaet (Abruf 20.11.22)

Marcella Althaus-Reid, Queer-Theorie und Befreiungstheologie. Der Durchbruch des sexuellen Subjekts in der Theologie, Concilium 44/1 (2008), 83–97: 95.

von Prof.’in Dr. Claudia Janssen

Das gesamte Glossar zeigen