Methoden feministischer Exegese


Feministische Theologien haben sich in den letzten Jahrzehnten inhaltlich weiterentwickelt und ausdifferenziert. In verschiedenen Fachdisziplinen bieten sie Analysen und Infragestellungen herrschender Geschlechterkonstruktionen und damit verbundener Machtverteilung. Das Geschlechterverhältnis wird dabei nicht isoliert in den Blick genommen, sondern als Teil eines komplexen Geflechts von Macht-, Ausgrenzungs- und Unterdrückungsstrukturen.

Feministische Exegese beschäftigt sich seit den 2000er Jahren nicht mehr in erster Linie mit Texten, in denen Frauen explizit eine Rolle spielen, sondern mit der Bibel und ihrer Auslegungsgeschichte insgesamt. Die biblischen Texte werden als eingebettet in ein hierarchisches gesellschaftliches und kulturelles Umfeld verstanden.

So gibt und braucht es auch keine spezifischen feministischen Methoden. Die Pluralität der verwendeten exegetischen Methoden umfasst sowohl historisch-kritische Ansätze im Blick auf Textkritik und Übersetzungen als auch literaturwissenschaftliche Zugänge wie Narratologie, Textlinguistik, Literary cristicism, Reader-Response-Criticism oder Semiotik und auch tiefenpsychologische Ansätze.

„Die Pluralität der verwendeten exegetischen Methoden verweist darauf, dass der Anspruch der historischen Kritik, mit Rekurs auf den Autorsinn des Textes die eindeutige und gültige kritische christliche Exegese zu begründen, seine Plausibilität verloren hat und von einer faktischen Pluralität der Exegesen abgelöst worden ist.“ (Wacker 1996: 250)

Postkoloniale Theologien kritisieren, dass die Bibel bei der Kolonisierung und Missionierung als Machtinstrument missbraucht wurde und auch in der feministischen Exegese weiterhin unreflektiert Methoden verwendet werden, die allein auf dem westlichen Wissenskanon und dessen hegemonialer Logik beruhen. Sie beziehen sich auch auf mündliche Traditionen und Überlieferungen ihrer Herkunftsländer, um biblische Texte zu interpretieren und sie sich neu anzueignen.

Literatur:

Annette Noller, Feministische Hermeneutik. Weg einer neuen Schriftauslegung, Neukirchen-Vluyn 1995.

Marie-Theres Wacker, Dem/den Anderen Raum geben. Feministisch-christliche Identität ohne Antijudaismus, in: Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hg.), Von der Wurzel getragen. Christlich-feministische Exegese in Auseinandersetzung mit Antijudaismus, Leiden u.a. 1996, 247-269.

Musa Dube, Postcolonial Feminist Interpretations of the Bible, St Louis 2000.

von Prof.’in Dr. Claudia Janssen

Das gesamte Glossar zeigen