Queersensible Seelsorge


Was für allgemeine Seelsorge gilt, gilt ebenso für queersensible Seelsorge. Seelsorge soll eine wertschätzende Begegnung sein, die stärkt und aufrichtet. Dabei nimmt die queersensible Seelsorge im Speziellen die Bedürfnisse und Erfahrungen queerer Menschen in den Blick (vgl. Beardsley/Dowd 2020, 135). Den ersten Entwurf für eine queersensible Seelsorge im deutschsprachigen Raum hat Kerstin Söderblom mit ihrem gleichnamigen Buch, welches dieses Jahr erschienen ist, vorgelegt. Sie benennt folgende Punkte als maßgeblich für einer queersensiblen Seelsorge:

Laut Söderblom sind für queersensible Seelsorge die transparente Kommunikation über einen sicheren Ort und eine passende Zeit sowie Vertraulichkeit essentiell. Insbesondere für queere Menschen ist die Vertraulichkeit aufgrund ihrer Diskriminierungserfahrungen entscheidend. Darüber hinaus sollte die Seelsorge gebende Person über Minderheitenstress, den queere Menschen erleben, und dessen Folgen informiert sein und diese in die Seelsorgearbeit miteinbeziehen (vgl. Söderblom 2023, 59f.).

In einem konkreten Seelsorgegespräch mit einer queeren Person geht es darum, ihr Queersein wertzuschätzen. In diesem Zusammenhang kann ein Umgang mit den Bibelstellen notwendig sein, die Homosexualität negativ bewerten, und sie in den historisch-soziokulturellen sowie religiösen Rahmen der damaligen Zeit zu verorten. Es ist deutlich zu machen, dass die Stellen keinenfalls wörtlich als moralische Handlungsweisung und Orientierung für das 21. Jahrhundert zu verwenden sind (vgl. Söderblom 2023, 63f.).

Ausgehend von queeren Theologien kann eine queere Re-Lektüre biblischer Texte für die Seelsorge empfangende Person heilsam sein, indem sie queere Perspektiven in der ermutigenden und befreienden Botschaft der Bibel aufzeigt (vgl. Söderbloom 2023, 64).

Egal ob sich die seelsorgende Person selbst zur queeren Community zählt oder nicht, sollte eine stete Selbstreflexion zu Vorurteilen, Projektionen, Schmerz- und Triggerpunkten stattfinden (vgl. Söderblom 2023, 142).

Kasualien spielen im Zusammenhang mit Seelsorge eine große Rolle. Damit Kasualien queersensibel sind, brauchen sie eine besondere Aufmerksamkeit. Beispielsweise können eine Segnung oder Trauung eines gleichgeschlechtlichen Paars besondere Herausforderungen mit sich bringen. Kommen alle Familienmitglieder zur Feier oder gibt es Konflikte wegen der gleichgeschlechtlichen, romantischen Beziehung? Wurden Menschen emotional verletzt? Diese Fragen sind in der Vorbereitung des gemeinsamen Gottesdiensts genauso entscheidend wie der Gottesdienstablauf (vgl. Söderblom 2023, 77).

Für die Auffindbarkeit von queersensibler Seelsorge ist es wichtig nach Außen erkennbar zu machen, dass eine Kirchengemeinde etc. queerfreundlich ist z.B. durch Pride-Flaggen am jeweiligen Gebäude, auf Flyern, Homepage etc. (vgl. Söderblom 2023, 66f.).

Letztendlich ist „queersensible Seelsorge auch prophetische Seelsorge“ (Söderblom 2023, 147), denn sie hat u.a. zum Ziel, Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu beenden und eine Transformation der Gesellschaftspolitik zu ermöglichen, sodass alle Gerechtigkeit erfahren. Dabei ist eine intersektionale Perspektive nicht zu vergessen.


Literatur

Beardsley, Christina/ Dowd, Chris: Trans Affirming Churches: How to Celebrate Gender-Variant People and Their Loved Ones. London, Philadelphia, PA, Jessica Kingsley Publishers, 2020.

Söderblom, Kerstin: Queersensible Seelsorge. 1. Auflage, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht; Brill Deutschland GmbH, 2023.

von Barbara Matt

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