Theologische Impulse


Luise Schottroffs theologisches Fragen war stets geleitet von einem Fragen nach Gerechtigkeit. In ihren zahlreichen Veröffentlichungen, aber auch in Vorträgen, Gesprächen und Lehrveranstaltungen hielt sie den Blick auf Menschen „an den Rändern“ wach. U.a. ihre Arbeiten zu Gleichnissen und zur Gemeinde in Korinth wurden breit rezipiert. Für Luise Schottroff war eindeutig: exegetische Forschung muss sozialgeschichtliche Befunde einbeziehen; nur so können sich theologische Befunde ergeben, die ernsthaft Gerechtigkeit einfordern. Lesen Sie hier Auslegungsimpulse aus Veröffentlichungen von Luise Schottroff zu exemplarischen Bibeltexten.

Über unsere Literaturlisten erhalten Sie vertiefte Einblicke in das feministisch-theologische und befreiungstheologische Schaffen Luise Schottroffs.

Viele Tonaufnahmen gemeinsamer Bibelarbeiten von Dorothee Sölle und Luise Schottroff auf Kirchentagen der 1980er- und 1990er-Jahre wurden von Hinrich Kley-Olsen auf der Website zur Dorothee-Sölle-Erinnerung zusammengetragen und können dort angehört werden.

Lk 2,1-20: Die Weihnachtsgeschichte (Podcast)

„Fürchte Dich nicht!“ – das ist der Titel einer Bibelarbeit von Luise Schottroff zu Lk 2,1-20 auf dem Kirchentag 1981. Das Tondokument von der Auslegung gibt es hier zum Nachhören.

Die Geburt eines Säuglings in einem Stall – im Zeitgeschehen ersten Jahrhunderts ist dies keine romantische Vorstellung, sondern Abbild bestehender Lebenszusammenhänge und realer Bedrohung. „Die große Freude, die Befreiungsbotschaft des Geburtsevangeliums, die ist nichts anderes als die Seligpreisung der Armen“, sagt Luise Schottroff. Warum das Wort „arm“ in neutestamentlichen Texten nicht metaphorisch gemeint ist, sondern konkret ökonomisch und sozial, erläutert Luise Schottroff ausführlich und anschaulich. Und doch spricht die Weihnachtsgeschichte mit ihren Träumen von Frieden und Gerechtigkeit bis ins Heute hinein und inspiriert zum aktiven Handeln. Der über drei Jahrzehnte alte Mitschnitt von Luise Schottroffs Auslegung hat keineswegs an Aktualität verloren.

Lk 6,27-38: Feindesliebe und Schuldenerlass

Feind:innen lieben – ist das tatsächlich möglich?

Luise Schottroff deutet Jesu Aufrufe zur Feindesliebe und zum Schuldenerlass in der Feldrede in Lk 6 als eine Vision, für die die konkrete Mitarbeit der Adressat:innen gefragt ist.

In ihrer Auslegung gibt sie Hintergrundinformationen zur lukanischen Gemeinde, die sich nach den Schrecken des jüdischen Kriegs mit vielen Feinden und in teilweise existenzieller Not sah. Dennoch traut Jesus ihnen zu, Gott nachzuahmen und barmherzig zu handeln. Dazu braucht es vor allem eines: Mut.

Bibliografische Angabe: Schottroff, Luise: Vom Mut, Gott nachzuahmen: Feindesliebe und Schuldenerlass, Bibel und Kirche 58 (2003), 83-90. (PDF: freundliche Genehmigung von Bibel und Kirche/ Katholisches Bibelwerk e.V.)

Lk 18,1-8: Das Gleichnis von der hartnäckigen Witwe

Wie und wo leisten Frauen Widerstand gegen Unrecht?

Das Gleichnis von der hartnäckigen Witwe (Lk 18,1-8) handelt vom beständigen Schreien einer Marginalisierten um ihre Rechte. Luise Schottroff fordert in ihrer Auslegung zu einer Reflektion über Frauenwiderstand in der Antike und der Gegenwart heraus: Wie werden Frauen, die für ihre Rechte eintreten, gesellschaftlich gesehen? Und wie können kleine Schritte in Richtung der Befreiung aus dem Unrecht aussehen?

Katja Westerkamp, Studentin an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, leistet Verstehenshilfe für das Gleichnis, indem sie Veröffentlichungen von Luise Schottroff dazu zusammenfasst und weiterdenkt.

Lk 18,9-14: Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner

Wie schaue ich auf andere? Wie wird auf mich geschaut?

Luise Schottroff identifiziert im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9-14) eine Umkehrung von Stereotypen. Der Pharisäer achtet gemäß positiver Vorurteile die Gebote, auch das der Nächstenliebe. Er setzt sich für die alltagsnahe Fortführung der jüdischen Tradition in Krisenzeiten ein. Luise Schottroff schreibt: „Die implizite Erwartung, die sich auf den Pharisäer richtet, setzt gerade ein großes Ansehen der pharisäischen Bewegung voraus. Sogar einem Pharisäer unterläuft es, so selbstgerecht zu beten und das Gebot der Nächstenliebe zu übertreten.“ (S.19f.).

Andererseits lässt das Gleichnis auch fragen: Was macht eigentlich ein Zöllner, der doch als Betrüger und Unehrlicher gilt, im Tempel?

Es geht aus sozialhistorischer Sicht in dem Gleichnis insofern keineswegs um eine pauschale Ablehnung von Pharisäer:innen. Was aus einer solchen Lesart wirkungsgeschichtlich geworden ist – ein Dualismus von Christentum/Kirche gegenüber Judentum/Pharisäismus – kritisiert Luise Schottroff deutlich und mit fundierten Argumenten, die an biblischen Texten und außerbiblischen Quellen orientiert sind.

Erfahren Sie mehr in einer Leseprobe des Buches Die Gleichnisse Jesu von Luise Schottroff (Stuttgart 2005).

Lk 19,11-28: Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Podcast)

Widerstand gegen bestehende Systeme der Ungerechtigkeit erfordert Mut und langen Atem.

Davon erzählt das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Lk 19,11-28). Es tritt ein herrischer reicher Fürst auf, der seine zehn Sklaven mit Geldinvestment beauftragt, während er abwesend ist. Unterschiedlich gehen die Sklaven mit dem ihnen anvertrauten Geld um – einige vermehren es. Aber einer tut dies absichtlich nicht. Mutig tritt er seinem Befehlsgeber gegenüber. Aus dem Sklavenmund ertönt in dieser Geschichte nun eine prophetische Vision von biblischer Gerechtigkeit: „Ich fürchtete dich nämlich, da du ein strenger Mensch bist und nimmst, was du nicht bezahlt hast; und erntest, was du nicht gesät hast“ (Lk 19,21).

Die Theologinnen Ulrike Metternich und Luzia Sutter Rehmann lesen in dem Gleichnis mithilfe der Arbeiten von Luise Schottroff eine Protestbotschaft. In ihrem Podcast Feministische Bibelgespräche betonen sie die realpolitische Protestbotschaft gegen Machtstrukturen, die die Reichen immer reicher und mächtiger werden lassen.

Hören Sie die Postcastfolge „Der mutige Sklave: Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden“ auf Spotify, über die öffentliche Plattform Podigee oder andere gängige Podcastplattformen (Apple Podcasts, Google Podcasts, YouTube, Deezer und Podimo). Hier geht es zu allen Episoden des Podcasts auf der Website der Evangelischen Akademie zu Berlin.

1 Kor 14/ Apg 2: Pfingsten

Von Gott in der Muttersprache reden – in der antiken Hafenstadt Korinth macht diese Interpretation der Pfingsterfahrung Sinn: Menschen aus allen Teilen des Römischen Reiches kommen hier zusammen.

Das weiblich gedachte pneuma, die Geistkraft, verleiht ihnen Gaben der Verständigung, auch über die Tora. Pneuma bewirkt individuelle Fähigkeiten, die es allen erlauben, sich einzubringen – „urdemokratisch“ nennt Luise Schottroff die Geistkraft. In einem Aufsatz in der Zeitschrift Bibel und Kirche legt sie die Pfingstgeschichte (1 Kor 14/ Apg 2) unter Berücksichtigung des sozialhistorischen Hintergrundes aus.

Bibliografische Angabe: Schottroff, Luise: Pfingsten. Von Gott in der Muttersprache reden, Bibel und Kirche 70 (2015), 148-155. (PDF: freundliche Genehmigung von Bibel und Kirche/ Katholisches Bibelwerk e.V.)