Prof. Dr. Dr. h.c. Luise Schottroff


Beharrliches Fragen nach Gerechtigkeit

Luise Schottroff

Prof. Dr. theol. Dr. h.c. Luise Schottroff war eine deutsche Pionierin der evangelischen Theologie mit Forschungsschwerpunkten in der feministischen Theologie, Befreiungstheologie, Sozialgeschichte mit Bezug zum Zweiten Testament und dem christlich-jüdischen Dialog. Sie wurde am 11.04.1934 in Berlin geboren und ist am 08.02.2015 in Kassel verstorben.

Professionalisierung in Biblischer- und Feministischer Theologie

Ab 1955 begann Schottroff ihre akademische Laufbahn im Rahmen eines Studiums an der Universität Mainz. Sie wurde an der Universität Göttingen mit ihrer Arbeit „Die Bereitung zum Sterben: Studien zu den frühen reformatorischen Sterbebüchern“ promoviert. Neun Jahre später wurde sie zu „Der Glaubende und die feindliche Welt: Beobachtungen zum gnostischen Dualismus und seiner Bedeutung für Paulus und das Johannesevangelium“ in Mainz habilitiert, wo sie 1971 auch als Professorin für Biblische Archäologie und Neues Testament zu lehren begann.

Nach 17 Jahren in Mainz lehrte sie 1986–1999 an der Universität in Kassel. Dort richtete sich ihr Schwerpunkt auf feministische Befreiungstheologie, die feministisch-theologischen Sommerakademien und das internationale Doktorand*innenkolloquium.

In den Jahren 2001–2004 lehrte sie als Professorin in Berkeley und New York. 2007 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Universität Marburg verliehen und 2013 wurde sie mit dem Leonore-Siegele-Wenschkewitz-Preis des Vereins zur Förderung feministischer Theologie in Forschung und Lehre ausgezeichnet. Schottroff war Mitwirkende bei der Bibel in gerechter Sprache (2006) und dem Sozialgeschichtlichen Wörterbuch zur Bibel (2009).

Sozialhistorische Bibelauslegung – Schlüssel zur Sichtbarmachung von Frauen im Zweiten Testament

In Ihren feministisch-exegetischen Veröffentlichungen war es Luise Schottroff ein Anliegen zu zeigen, wie wichtig es ist, den sozialgeschichtlichen Hintergrund der Texte zu beachten. So zeigte sie, geleitet von der Hermeneutik des Verdachts, die Alltagsrealität von Frauen zur Zeit des Zweiten Testamentes und des Imperium Romanum auf. Sie konzentrierte sich auf das repräsentierte Verhältnis der Geschlechter und kritisierte die neutestamentliche Sprache, die überwiegend das generische Maskulinum nutzt.

Luise Schottroff übte Kritik an der androzentrischen Geschichtsschreibung, dem Patriarchat, der Begrenztheit der Erforschung von Frauengeschichten und an der Vorstellung, Wissenschaft sei wertneutral und objektiv, und forderte eine Forschung mit dem Fokus, das Zweite Testament als Quelle für Frauengeschichten im Alltag zu nutzen.

Überwindung des christlichen Antijudaismus

In ihrem Ansatz der sozialgeschichtlichen Hermeneutik spielen nicht nur die befreiungstheologische und feministische Komponente eine entscheidende Rolle, sondern auch der jüdisch-christliche Dialog. So konzentriert sich ihre feministische Exegese auch auf die Überwindung des christlichen Antijudaismus und fordert, dass antijüdische Stereotype und Denkschemata innerhalb christlicher Theologie erkannt und überwunden werden, um Alternativen zu entwickeln. Insbesondere im Rahmen einer Theologie nach Auschwitz kritisierte sie antijudaistisch-christliche Theologien im deutschen Kontext.

Wirkkraft bis heute

Sich mit Theologie im aktuellen Kontext zu befassen und auseinanderzusetzen, war Luise Schottroff besonders wichtig. So engagierte sie sich neben ihrem Forschen und Lehren unter anderem zusammen mit Dorothee Sölle auch auf Kirchentagen, in Gemeinden oder auch als Mitbegründerin im Netzwerk ESWTR (European Society of Women in Theological Research) und in der Ökumene- und Friedensbewegung. Sie kam überall mit Menschen ins Gespräch und war an ihnen interessiert.

Anlässlich des 10. Todestages von Luise Schottroff erinnern wir im Jahr 2025 auf besondere Weise an Luise Schottroff und ihre Theologie. Besuchen Sie den Luise-Schottroff-Bereich unserer Website, um sich über Luise Schottroffs Biografie und ihr theologisches Schaffen und Wirken zu informieren. Hier hören Sie ein Podcast-Interview mit ihrer Schülerin Claudia Janssen und erfahren etwas zu den Hintergründen des neuen Erinnerungsprojekts.

Ressourcen

Diese Informationen stammen aus den Lehrveranstaltungen mit Prof’in. Claudia Janssen: Einführung in die Theologische Geschlechterforschung (Sommersemester 2021), Einführung in die feministische Exegese (Sommersemester 2022), Einführung in die kontextuelle Theologie (Sommersemester 2024), der Website der IG Feministische Theologinnen Deutschschweiz/ Liechtenstein  und Luise Schottroff, in: Verzeichnis der Professorinnen und Professoren der Universität Mainz. (Zugriff am 13.01.2025)

Weitere Informationen

Luise Schottroff war auch Frau des Monats Dezember 2016 auf der Website der IG Feministische Theologinnen Deutschschweiz/ Liechtenstein.

Literatur zu Luise Schottroff kann auf der Website des Instituts für Feministische Theologie, Theologische Geschlechterforschung und soziale Vielfalt gefunden werden.

Luise Schottroff: Der Glaubende und die feindliche Welt. Beobachtungen zum gnostischen Dualismus und seiner Bedeutung für Paulus und das Johannesevangelium, WMANT 37, Neukirchen 1970.

Luise Klein: Die Bereitung zum Sterben. Studien zu den frühen reformatorischen Sterbebüchern. Masch.-Schr. Diss. Göttingen 1960, 195. (Selbstanzeige der Dissertation: ThLZ 86, 1961, 785f.).

Elisabeth Gössmann, Helga Kuhlmann, Elisabeth Moltmann-Wendel, Ina Praetorius, Luise Schottroff, Helen Schüngel-Straumann, Doris Strahm, Agnes Wuckelt (Hg.): Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 2. vollständig überarb. und grundl. erw. Aufl. 2002;
darin: Luise Schottroff, Artikel: Abendmahl/Eucharistie, 1-3; Ämter/Charismen, 15-17; Eschatologie Jesu, 29-31; Auferstehung (des Leibes), 47-49; Gnosis, 242-244; Maria/Mariologie, Biblisch, 392-393; Sünde/Schuld, Neues Testament, 523-524.

Bibel in gerechter Sprache, hg. von Ulrike Bail, Frank Crüsemann, Marlene Crüsemann, Erhard Domay, Jürgen Ebach, Claudia Janssen, Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leutzsch, Luise Schottroff, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1.-2 Aufl. 2006; 3. Aufl. 2007. Darin Mitverfasserin: Einleitung, 9-26. Verfasserin: Neues Testament, 1834-35. Matthäusevangelium,  1835-1889. An die Gemeinde in Korinth: Erster Brief, 2107-2131. Mitverfasserin: Glossar etc.  2340-2341. Gerechtigkeit, 2347-2349. Verfasserin: euangelion, 2346.

Ein Beitrag von Luisa Kappes

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